Banken leiden unter Reputationsverlust

    Ein Plädoyer für mehr Verantwortung und einen werteorientierten Umgang

    Banken sind als universale Intermediäre im Wirtschaftsprozess in besonders intensiver Weise mit den Folgen wirtschaftlichen Handelns konfrontiert. Aus dieser zentralen Funktion im modernen Wirtschaftsprozess ist die exponierte Positon des Bankensektors erwachsen. Banken verfügen unbestreitbar über einen erheblichen Einfluss auf Wirtschaftsprozesse. Sie sind die Zahnräder der Wirschaft. Gerade ihre Doppelfunktion als Finanzintermediäre führt häufig in ein Dilemma. Durch die Gewährung ihrer Finanzkraft ermöglichen sie Personen und Unter-nehmen, Ziele zu verfolgen und zu erreichen. Sie können diese aber auch behindern, indem sie keine Liquidität zur Verfügung stellen. Diese Doppelfunktion zwischen notwendiger Profitabilität und sozialer Verpflichtung kann Spannungsverhältnisse erzeugen. Einer zurückhaltenden Kreditvergabepolitik zur Vermeidung notleidender Kredite in Zeiten allgemeiner wirtschaftlicher Schwäche steht der Vorwurf liquiditätspolitischer Strangulierung der Wirtschaft gegenüber. Eine grosszügige, risikofreudige Versorgung der Wirtschaft mit Liquidität muss sich im Insolvenzfall der Kritik offensichtlich leichtsinniger Kreditvergabe erwehren. Ebenso sehen sich Banken immer wieder gezwungen, ihre im Branchenvergleich überdurchschnittlichen Gewinne gerade in einem schwachen konjunkturellen Umfeld gegenüber dem Vorwurf unternehmerischer Gier zu rechtfertigen.

    Neben dieser «natürlichen» Funktion von Banken existieren noch weitere: So das Risikomanagement, beispielsweise durch die Bereitstellung von Derivaten oder auch die Beratung bei der Vermögensverwaltung. Und schliesslich sind Banken in allen Industrieländern die wichtigsten Akteure der Unternehmenskontrolle. Spektakuläre Beispiele, die das Vorurteil vom «unmoralischen Verhalten» der Finanzinstitute bestätigen, gibt es wohl mehr als genug. Hier genügt der Blick auf die Auslagen einschlägiger Titel aus der Vergangenheit und Gegenwart in den Buchläden: Da stehen die «Raubritter in Glaspalästen» neben dem «Kartell der Kassierer» oder man findet sich «Im Netz der Geldfänger» wieder. Anschauliches Beispiel für fehlgeleitetes Agieren von Banken war in der Vergangenheit insbesondere die Finanzkrise 2008, welche von der Gier der Banken getrieben war, aus Ramschhypotheken verbriefte Wertpapiere zu machen. Früher oder später werden wir in die nächste Bankenkrise schlittern, obwohl heute die Zentralbanken und Regulatoren eine viel bedeutendere Rolle in der Eingrenzung der Risiken und dem Einsatz von Liquiditätsspritzen im Ernstfall spielen. Jedoch ist der gedankliche Sprung bei vielen, vor allem Grossbanken, von «Geld regiert die Welt» zu «Geld verdirbt die Welt» nur ein kurzer!

    In vielen Fällen lässt sich als Ursache des Versagens ein interessantes Phänomen beobachten. Der Skandal an sich wird nicht durch individuelle Handlungen oder Unterlassungen einiger weniger Personen ausgelöst, sondern durch das Zusammen-treffen einer grossen Anzahl von Versäumnissen, von denen allein keines skandalös gewesen wäre. Es geht vor allem um die mangelhafte Wahrnehmung von Verantwortung. Unter Wahrnehmung von Verantwortung verstehe ich hier also nicht das mea culpa eines CEO, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und was schlimmstenfalls zu seiner Demission führt, sondern das Bemühen, alles zu unternehmen, um das Eintreten eines solchen GAUs zu verhindern.

    Es ist jedoch nicht allein das Topmanagement, das versagt. Nein, denn manche mögen sich zwar mächtig fühlen, doch sind sie de facto nur die Angestellten der Aktionäre: die juristischen und auch moralischen Eigentümer eines Unternehmens. Ob Gross- oder Kleinaktionär, ein jeder hat sich seiner Verantwortung gegenüber dem Unternehmen bewusst zu werden – denn die Verantwortung liegt auch bei ihnen. Beispiele dazu gibt es auch hier genug, zum Beispiel die kürzlichen Ereignisse bei der Credit Suisse, wo das gesamte Topmanagement und auch der Verwaltungsratspräsident kläglich versagt haben. Und zwar nicht bei den eigentlichen Zahlen, sondern im moralisch/ethischen Bereich. Die Aktionäre haben sich sehr passiv verhalten.

    Aufgrund der besonderen Funktion von Banken in einer Volkswirtschaft haben Bankmanager dennoch eine doppelte Verantwortung. Zum einen für ihr eigenes Unternehmen, zum anderen sitzen Bankenmanager häufig auch in den Verwaltunsräten von anderen Gesellschaften und übernehmen so zusätzliche Verantwortung. Es existiert somit eine direkte und auch eine indirekte Wirkung von Banken, die beide ethischen Bewertungen unterworfen werden. Die direkte Rolle einer Bank zeigt sich im eigenen Betrieb und wie sie mit Kunden und Mitarbeitern um-gehen. Die indirekte Wirkung ist durch ihre Mittlerrolle in der Wirtschaft zu finden, wo sie auch die Verantwortung für andere Unternehmen und letztlich für ganze Volkswirtschaften einnehmen.

    Was können Banken tun, um «ethische Risiken» zu minimieren und entsprechend mehr Verantwortungsbewusstsein zu demonstrieren und umzusetzen? Es muss ein Mittelweg gefunden werden, wobei hier ein «code of conduct» gebildet werden sollte, in dem Prinzipien, Werte und Verhaltensregeln der Bank gegen-über Mitarbeitern, Kunden, Anteilseignern (Aktionäre) und der Umwelt formuliert werden. Eine Bank setzt sich somit zwar unter einen kontinuierlichen Zugzwang, wenn sie sich einen Verhaltenskodex selbst auferlegt. Doch im Gegenzug erhält sie längerfristig einen höheren ideelen Firmenwert, der sich bis hin zu einem Gütesiegel steigern kann. Träger der Leitsätze ist jeder einzelne Mitarbeiter des Unternehmens. Er oder sie vertritt die Werte durch sein/ihr Handeln nach innen und aussen. So wird wertorientiertes Management zu einem Kernelement der Unternehmenskultur und nicht Gier und das Treiben nach Profit aus nicht nachhaltigen Geschäftsinteressen (im Klimawandel heute deutlich sichtbar). Während manche heute meinen, mit einem Verhaltenskodex lediglich eine weitere Nebenbedingung – zusätzlich zur betriebswirtschaftlichen und der technischen – geschaffen zu haben, handelt es sich aus meiner Sicht um viel mehr: nämlich um die bewusst gemachte Grundlage der eigenen Tätigkeit.

    Fest steht: An eine Rückbesinnung auf gesellschaftlich breit akzeptierte Werte führt kein Weg mehr vorbei. Manche wussten es schon vorher. Die anderen sollten diesen Umstand akzeptieren und ihren Sonntagsreden entsprechende Taten folgen lassen. Denn wie wir inzwischen an harten Fakten nachweisen können: Selbst der Finanzmarkt interessiert sich zunehmend dafür!

    Eric G. Sarasin

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