Die Ausstellung «Das zweite Leben der Dinge» im Forum Schweizer Geschichte Schwyz erzählt auch die Geschichte des Reparierens. Die meisten Flick-Berufe sind verschwunden. Der Berner Erich Baumann ist der letzte Schirmflicker der Schweiz – er lässt niemanden im Regen stehen.

Im Schweizer Mittelland regnet es an 150 Tagen im Jahr. Wenn es draussen besonders heftig hudlet und chutet, sagt Erich Baumann (57), kämen ein paar Tage später per Post eine ganze Menge «Patienten» bei ihm an.
Über tausend Regenschirme repariert er jährlich. Das Problem sind die Ersatzteile. Es gibt abertausende Sorten Regenschirme (die meisten in Fernost fabriziert), und alle sind sie anders, nichts ist normiert. Weshalb Baumann alte Schirme sammelt (beste Bezugsquelle: die Fundbüros) und in ihre Einzelteile zerlegt. So lagert über zehn Tonnen Material aus aller Schirmherren Welt in seiner Werkstatt – Griffe, Kronen, Spitzli, Elasti, Schieber, Federn, Schrauben und Nieten – und allein tausend Sorten Stängeli. Gut eine halbe Stunde dökterlet er an einem Patienten herum und verlangt dafür fünfunddreissig Franken.
Seine Werkstatt hat Baumann in einem ehemaligen Klassenzimmer in Münchringen BE eingerichtet – wo früher die Knirpse zur Schule gingen. Vor gut zwanzig Jahren begann der gelernte Gärtner mit dem Schirmflicken, damals als Arbeitstherapeut in einer Einrichtung mit psychisch kranken Menschen.
Wer ist seine Kundschaft? Zumeist Leute, die ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft setzen wollen oder einen teuren Schirm einer Luxusmarke besitzen. Für andere hat der kaputte Schirm einen ideellen Wert, ist beispielsweise ein Erbstück, ein Swissair-Schirm oder ein Expo.02-Knirps. Und dann war da noch die alte Dame, die ihm einen völlig verlebten Schirm vorbeibrachte. Baumann gab ihr zu bedenken, die Reparaturkosten würde den Wert des Schirms bei Weitem übersteigen. Doch die Frau wollte ihn unbedingt geflickt haben, weil … unter diesem Schirm hatte sie vor 70 Jahren zum ersten Mal ihren Mann geküsst.
pd
Mehr über Erich Baumann unter: schirmservice.ch
Nach erfolgreicher Präsentation im Landesmuseum Zürich zeigt nun das Forum Schweizer Geschichte Schwyz bis am 27. April 2025 eine faszinierende Ausstellung über die Methoden der Kreislaufwirtschaft − von der Steinzeit bis in die Gegenwart.
Die Ausstellung präsentiert eindrückliche Objekte, die geflickt, wiederverwendet und über Generationen hinweg geschätzt wurden. Sie schärft damit das Bewusstsein für den Wert eines zweiten Lebens der Dinge − ein Thema, das gerade heute wieder höchst aktuell ist.
Die Ausstellung zeigt, wie Menschen Ressourcen von der Steinzeit bis in die Moderne clever nutzten: Lochaxtfragmente, die sekundär als Beilklinge oder Klopfstein Verwendung fanden, das Metalllager einer eisenzeitlichen Bronzewerkstatt oder eine Wiege aus dem 17. Jahrhundert, die über Generationen in der Zürcher Grossfamilie Waser weitergegeben wurde.